Wird es seine letzte Saison?

Wie will er dem Team noch einmal helfen? Und was hat sich durch den Trainerwechsel verändert? Gottéron-Captain Julien Sprunger im Interview.

Julien Sprunger spielt sicher noch eine Sasion - die letzte? © Keystone

Im Interview vor dem Saisonstart spricht der Gottéron-Captain Julien Sprunger über die kommende Meisterschaft - die erste ohne seinen langjährigen Weggefährten Andrei Bykow.

Julien Sprunger, sind die Spieler nun, da nicht mehr Christian Dubé an der Bande steht, motivierter?

Nein, überhaupt nicht, wir waren selbstverständlich immer motiviert.

Nach der Entlassung war jedoch zu lesen gewesen, die Spieler hätten Christian Dubé nicht mehr gewollt. Auch Sportchef Gerd Zenhäusern sagte, die Inputs der Spieler seien mitverantwortlich gewesen für den Entscheid. Haben Sie das als Captain letzte Saison ebenfalls so herausgespürt?

Es wäre zu einfach zu sagen, die Spieler hätten Christian nicht mehr gewollt – und ganz sicher eine Übertreibung. Es gibt eine Clubstrategie, die allmählich einen Wechsel vorsah. Natürlich, wenn du einen Trainer mehrere Jahre lang hast, gibt es Dinge, die sich mit der Zeit abnutzen. Aber grundsätzlich gilt: In einer Mannschaft hast du 25 Individuen, darunter hast du ganz sicher immer fünf oder sechs, die den Trainer wechseln möchten. Dann hast du fünf oder sechs, die den Trainer super finden, weil sie von ihm in Ruhe gelassen werden und es für sie gut läuft. Und dazwischen hast du alle anderen, die den Trainer mal gut, mal weniger gut finden. Ich bin lange genug dabei, um zu wissen, dass das bei jedem Trainer genau gleich ist. Bei einem neuen Trainer wird das nach zwei, drei Jahren genauso sein.

Selbstverständlich ist es gut möglich, dass es meine letzte Saison ist.

Nun ist erst einmal Patrick Emond für ein Jahr Headcoach. Was hat sich unter ihm geändert?

Seine Art zu arbeiten, ist komplett anders. Pat hat viel Erfahrung, weiss genau, was er will und nimmt auch bei der Videoanalyse vieles selbst in die Hand. Bei Christian Dubé kümmerte sich Assistent Pavel Rosa um viele Sachen, die das System betreffen, während Christian sich eher um Dinge wie die Linienzusammensetzung und das Zwischenmenschliche kümmerte. Pat arbeitet strukturierter, es wird mehr analysiert, und wir schauen mehr Video. Die Tage sind nach Themen unterteilt, und wir wissen bereits im Vorhinein, in welcher Woche wir an was arbeiten.

Ist das der bessere Ansatz?

Man kann nicht sagen, dass eine Herangehensweise besser ist als die andere. Letzte Saison wusste Pavel immer genau, was zu machen war, das hat ebenfalls funktioniert. Pats Vorteil für diese Saison ist: Er war bereits eine Saison da und hat gesehen, was ihm gefällt und was weniger. Darauf kann er aufbauen. Zudem weiss er, dass er nur ein Jahr da ist. Er muss es nicht allen recht machen, sondern kann sein Ding durchziehen. Es wird eine interessante Saison.

Allzu viele Torchancen erhält Julien Sprunger nicht mehr. Bild: Charles Ellena.

Allerdings auch eine schwierig vorhersehbare Übergangssaison mit einigen Fragezeichen.

Übergangssaison ist das Wort, gegen das sich alle wehren (lacht). Aber ich verstehe natürlich, dass es verwendet wird. Unabhängig davon ist eine Saison nie vorhersehbar, du weisst nie, was dich erwartet. Letzte Saison spielten wir eine fantastische Qualifikation. Ob wir das wiederholen können, hängt von Kleinigkeiten ab. Es reicht, dass sich plötzlich der Torwart verletzt oder Marcus Sörensen und Lucas Wallmark nicht mehr ganz so überragend sind wie letztes Jahr – und schon wird es komplizierter. Im Powerplay haben wir im Vergleich zur Vorsaison die eine oder andere Änderung vorgenommen, sollte das plötzlich nicht mehr so gut laufen wie letzte Saison, könnte uns das ebenfalls ein paar Punkte kosten. Fragezeichen und Unsicherheiten gibt es immer, das ist das Schöne am Sport.

Ist eine derart starke Qualifikation wie letztes Jahr, als Gottéron die Regular Season auf Rang zwei abschloss, realistisch?

Es wird auf jeden Fall schwierig. Letztes Jahr lief in der Qualifikation alles für uns, Sörensen und Wallmark liefen über Wasser, wir hatten kaum Verletzte, Reto Berra hielt im Tor alles. Allerdings schafften wir es nicht, die tollen Leistungen aus der Qualifikation in die Playoffs zu transportieren. Die Zahlen sind nicht aus der Welt zu schaffen: Seit 2014 haben wir genau ein Halbfinalspiel gewonnen. Auf Rang zwei zu stehen hat keinen grossen Wert, wenn man danach trotzdem früh scheitert. Deshalb ist Rang zwei gar nicht unbedingt unser primäres Ziel. Es geht vielmehr darum, in bestmöglicher Form in die Playoffs zu kommen. Wir wollen den nächsten Schritt machen. In der Offensive muss sich noch weisen, wie schwer es wiegt, dass wir mit Andrei und Mauro zwei wichtige Rollenspieler verloren haben.

Mit Meisterschaft, Champions League und Spengler Cup mischt Gottéron dieses Jahr in drei Wettbewerben mit. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Wir haben kein allzu breites Kader. Allerdings hat es im erweiterten Kader ein paar interessante junge Spieler, die sich werden zeigen wollen, ich denke da an Jan Dorthe, Dominik Binias, Kevin Etter oder Santiago Näf, die in der Vorbereitung gezeigt haben, dass mit ihnen zu rechnen ist. Wenn wir in Sachen Verletzungen so gut verschont bleiben wie letztes Jahr, sehe ich kein Problem. Sollten wir hingegen gegen Mitte der Saison Verletzungspech bekunden, kann es kompliziert werden. Man ist schnell am Limit, das haben wir bereits in der Vorbereitung gesehen, als wir in Düdingen eine Partie bloss mit zehn Stürmern beendeten.

Was sind die wichtigsten Trümpfe Gottérons?

Die Stabilität. Es gab wenige Wechsel, die Spieler kennen und vertrauen einander. Wir wissen, dass wir eine sehr komplette Mannschaft sind, die auf Topniveau spielen kann, das haben wir letzte Saison gezeigt. Dazu gab es dennoch gute punktuelle Verstärkungen. Yannick Rathgeb tut uns hinten sehr gut, er spielt physisch und nimmt eine wichtige Rolle im Powerplay ein. In der Offensive muss sich hingegen noch weisen, wie schwer es wiegt, dass wir mit Andrei (Bykow) und Mauro (Jörg) zwei wichtige Rollenspieler verloren haben. Diese wurden womöglich unterschätzt, ihre Schattenarbeit und beispielsweise ihr unermüdlicher Einsatz im Boxplay waren sehr wichtig. Es liegt nun an den Jungen, zu zeigen, dass sie das Relais übernehmen können.

Und was sind mögliche Schwächen?

Selbstzufriedenheit ist immer eine Gefahr. Wenn wir uns sagen: Letztes Jahr hatten wir Erfolg, die Eishalle war immer voll, wir wissen, wie es geht, alles wird ohnehin gut, dann droht Ärger.

Kommen wir zu Ihnen persönlich. Mit welchen Gefühlen starten Sie in diese Saison?

Ich starte in die 23. Saison mit Gottéron, besonders spezielle Gefühle sind nicht mit dabei. Bestimmt ist Ihre nächste Frage, ob es meine letzte Saison sein wird.

Eigentlich nicht. Wird es denn Ihre letzte Saison?

Ich weiss es noch nicht. Selbstverständlich ist es gut möglich, dass es meine letzte Saison ist. Aber ich will nicht mit der Gewissheit in die Saison starten, dass ich danach aufhöre. Ich hätte zu sehr Angst, im Unterbewusstsein nicht mehr gleich engagiert ans Werk zu gehen. Und was, wenn ich plötzlich einen tollen Saisonstart habe? Vielleicht habe ich dann Lust, weiterzumachen. Letztlich hängt der Entscheid auch von der Strategie des Clubs ab. Eines ist jedoch sicher: Nach dem, was Andrei erlebt hat, will ich selbst entscheiden können, wann ich aufhöre.

Welche Rolle ist für Sie in dieser Saison vorgesehen?

Ich denke, dass ich im Powerplay immer noch eine wichtige Rolle einnehmen kann. Bei fünf gegen fünf hat sich meine Eiszeit in den letzten Jahren hingegen stark reduziert. Die Rolle ist eine defensivere, entsprechend mache ich weniger Punkte. Aber ich bin bereit, jegliche Rolle zu akzeptieren, die für mich vorgesehen ist. Ich werde alles aus mir herausholen, jeden Moment geniessen – und dann schauen, wohin mich das führt.

Waren Sie zufrieden mit Ihren Leistungen in der vergangenen Saison?

Bis Weihnachten lief es richtig gut, danach war es komplizierter. Aber eben, man muss auch immer die Rolle mitberücksichtigen. Natürlich war ich grundsätzlich nicht zufrieden mit meiner Punkteausbeute (20 Punkte in 63 Spielen, Red.). Aber wenn du in einem Match nur sieben, acht Minuten auf dem Eis stehst, kommst du vielleicht zu einer, maximal zwei Torchancen. Ich akzeptiere meine Rolle total und versuche mit Einsatz und Leadership das Team dennoch zu pushen. Man sollte mich deshalb nicht mehr an meinen Punkten messen.

Wir haben immer noch täglich Kontakt.

Auf dem Eis kein Duo mehr: Andrei Bykow (l.) und Julien Sprunger. Archivbild : Keystone

Haben Sie irgendwo im Hinterkopf dennoch die Hoffnung, wieder eine wichtigere und offensivere Rolle einzunehmen?

Selbstverständlich, dafür arbeite ich jeden Tag hart. Das ist auch die Message, die ich versuche, den Jungen weiterzugeben. Manchmal sage ich ihnen: «Ihr versucht, mir den Platz wegzunehmen, und ich versuche, ihn zu verteidigen – so soll es sein.» Das ist der natürliche Lauf bei Mannschaften, so pusht man sich gegenseitig. Wenn ich im Sommer joggen gehe, will ich vor den Jungen ankommen. Ich brauche diesen Ehrgeiz und diese kleinen Herausforderungen immer noch. Und wenn es Platz in einer Linie mit mehr Eiszeit hat, will ich bereit sein und die Chance nutzen. Ich habe sogar grosse Lust darauf.

Haben Sie diesen Sommer etwas anders gemacht als im Sommer zuvor?

Nein, alles wie immer. Mit bald 39 Jahren geht es allerdings nicht mehr darum, physisch besser zu werden, sondern möglichst das Niveau zu halten.

Es wird Ihre erste Saison ohne Andrei Bykow sein. Ein spezielles Gefühl?

Ja, es ist speziell. Wir haben immer noch täglich Kontakt. Er verfolgt unsere Spiele, und ich habe mit Schrecken sein missglücktes Debüt als Fussballer mitverfolgt. Aber obwohl wir ausserhalb des Eishockeys viel Kontakt haben, ist es speziell, ihn bei Gottéron nicht mehr jeden Tag zu sehen. Wir hatten viele gemeinsame Rituale, sprachen im Car oder nach den Spielen viel miteinander. Das fehlt mir. Und nicht nur mir, er ist mit vielen Spielern in Kontakt geblieben und war im Sommer noch ziemlich präsent. Manchmal machte er am Ende des Trainings bei unseren Fussballspielen mit und kam mehrmals mit uns essen.

Freiburger Nachrichten - Redaktion / Matthias Fasel
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